BarCamp oder Open Space?

Beim einem experimentellen digitalen BarCamp ist eine gewisse
Verunsicherung aufgetaucht, was denn eigentlich der Unterschied zwischen
Open Space und BarCamp sei.

Nachdem ich mich seit sehr langer Zeit mit diesen Formaten
beschäftige, kann ich gerne für ein wenig Aufklärung sorgen. Das
erscheint mir auch deswegen wichtig, weil es bei beiden Formaten schon
für sich gesehen inzwischen eine ziemliche Begriffsverwirrung gibt und
alles Mögliche als Open Space gehandelt wird, was weder der Philosophie
noch der Praxis von Open Space nach Harrison Owen entspricht. Das ist
insofern bedauerlich, als Open Space ein sehr kraftvolles Format ist und
das Label natürlich leidet, wenn allerlei Schmarrn unter dem gleichen
Segel daherkommt.

Zum Unterschied von BarCamp und Open Space Technology

Etwas salopp gesagt: Das BarCamp ist für mich eine Tochter von Open
Space, es gibt viele Gemeinsamkeiten aber einige wichtige Unterschiede.

Das Prinzip des BarCamp: Give a liitle and gain a lot, „Geben und
Nehmen“. Jede teilnehmende Person ist aufgefordert ein „Geschenk“ in
Form eines Beitrages (Präsentation, Vortrag, Beispiel) zur Veranstaltung
mitzubringen.

Das Prinzip von Open Space: Gemeinsam g’scheiter werden bzw.
gemeinsam Handlungen planen. Jede Person ist eingeladen im Rahmen des
Dachthemas (Fokus) der Veranstaltung Anliegen und brennende Fragen
einzubringen. Falls gewünscht, können die dokumentierten
Diskussionsergebnisse im Rahmen des sog. Konvergenzprozesses in der
Endphase des Open Space gewichtet und in einen Maßnahmenplan gebracht
werden.

Gemeinsamkeiten der beiden Formate:
  • Gestaltungshoheit der TeilnehmerInnen: Es gibt keine vorgegebene
    Agenda, die inhaltliche Ausgestaltung wird im Rahmen einer
    Minimalstruktur von den TeilnehmerInnen am Beginn der Veranstaltung
    selbst vorgenommen.
  • Selbstorganisation: die Moderation beschränkt sich darauf die
    Veranstaltung in Gang zu bringen und abzuschließen, dazwischen werden
    die Eingriffe so gering wie möglich gehalten. Auch die einzelnen
    Sessions/Workshops werden von den Teilnehmern selbst moderiert
  • Freiheit – Selbstverantwortung: Die TeilnehmerInnen treffen selbst
    die Entscheidung wohin sie im Rahmen der Veranstaltung gehen, wie lange
    sie bleiben und wann und wohin sie wechseln. Die Grundlage dafür ist
    das sog. „Gesetz der 2 Füße/ Gesetz der Mobilität“: „Überprüfe zu jeder
    Zeit, ob du an dem Ort, an dem du dich befindest etwas lernen oder
    beitragen kannst. Wenn du nichts lernen oder beitragen kannst, ehrst du
    die Gruppe mit deiner Abwesenheit“
  • High energy, high learning: Das Momentum der Freiheit in
    Kombination mit dem Gesetz der 2 Füße sorgt in beiden Fällen für einen
    unglaublichen Energieschub beim Dialog auf Augenhöhe.
  • Berichte und Dokumentation: In beiden Formaten wird üblicherweise
    nicht mündlich aus den Gruppen berichtet. BarCamp ist ein Format von IT
    Freaks, dementsprechend wird erwartet, dass die Doku der Workshops
    unmittelbar danach in ein bereitgestelltes WIKI eingespeist wird. Bei
    Open Space wird das je nach Intention der Veranstaltung unterschiedlich
    gelöst. Falls gemeinsame Ergebnisse erzielt werden sollen, wird den
    Teilnehmern am Beginn der Konvergenzphase die Sammlung aller
    Workshopberichte als printout oder in Form einer Galerie zur Verfügung
    gestellt.
Unterschiede der Formate:

Verlauf der Workshops: Aus den Grundprinzipien ergibt sich ein
unterschiedliches Raum-Zeit Gefüge. Eine BarCamp Session dauert
üblicherweise 30 Minuten und beginnt mit einem Vortrag, einer
Präsentation oder in sonst einer Weise, in der die einladende Person
ihren „Beitrag abliefert“. Danach werden Fragen gestellt bzw. wird
diskutiert.

Eine Open Space Session dauert üblicherweise 60 – 90 Minuten, in
Ausnahmefällen auch länger. In den meisten Fällen beginnt die Gruppe
damit zu erläutern warum bzw. was an Thema/Anliegen/brennender Frage
wichtig ist, danach wird diskutiert.

Fokus: BarCamp ist eine Schöpfung von IT-Geeks und hat in seiner
Grundform immer dieselbe Thematik: „Softwareentwicklung und ihre
gesellschaftlichen Auswirkungen“. Die TeilnehmerInnen entscheiden im
Rahmen dieses sehr breit gehaltenen Themas selbst was sie einbringen –
und sie lernen was sie lernen. (Nach der Intention der Erfinder müsste
daher ein BarCamp über Pädagogische Fragen „EduCamp“ heißen etc. Das
wird aber im deutschsprachigen Raum nicht unbedingt so durchgehalten)

Open Space versteht sich als Format mit dessen Hilfe in sehr kurzer
Zeit auch komplexe Themenstellungen bearbeitet, Lösungen gefunden und
Maßnahmen vereinbart werden können. Ja natürlich, für einen feinen
Erfahrungsaustausch ist Open Space auch super, aber das ist eigentlich
die Schmalspurvariante. Daher ist die Erarbeitung des Dachthemas/Fokus
für die Veranstaltung von zentraler Bedeutung. Dieses Dachthema soll
großen Aufforderungscharakter haben, in seiner Richtung klar sein,
gleichzeitig aber ergebnisoffen bleiben.

Konsequenzen für die Raum-Zeit-Planung an einem Beispiel:

Gehen wir von einer 1-Tages-Veranstaltung für 50 TeilnehmerInnen aus:
was bedeutet das für die Planung eines BarCamps, was für einen Open
Space?

BarCamp: 50 TN = ungefähr 50 Beiträge, das bedeutet
je nach Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze z.B. 7 Runden mit 7
Arbeitsplätzen, oder 8R mit 6AP oder 10R mit 5 AP. Je mehr Runden es
hat, desto mehr Themen kann man als Teilnehmer mitnehmen, allerdings ist
die Wahlmöglichkeit an Themen pro Runde geringer. Mit 10 Runden +
Anfangszeit + Abschluss + Pausen ist der Tag eigentlich schon ziemlich
angefüllt:

Open Space: Open Space ist aufwendiger in der
Anmoderation und braucht längere Workshopzeiten. Konkret würde ich im
Beispiel also von 3 Arbeitsrunden zu 75 Minuten ausgehen + Anfangszeit +
Abschluss + Pausen. Daumen mal PI würde ich vermuten, dass je nach
Energie der TeilnehmerInnen etwa 12 – 20 Anliegen eingebracht werden, d.
h. ich würde bei 3 Runden 6 Arbeitsplätze vorsehen und hätte den einen
oder anderen Arbeitsplatz in Reserve. Eine Maßnahmenplanung ist bei
1-tägigen Open Space Workshops nur schwierig unterzubringen.

NoGos:
  • In beiden Formaten ist es verpönt Themen zu „setzen“, d. h. schon
    im Vorfeld zu bestimmen, welche Themen stattzufinden haben. Die Themen
    der Workshops werden grundsätzlich am Beginn der Veranstaltung
    eingesammelt. Es spricht natürlich nichts dagegen Workshopschienen
    vorzugeben, es hat halt dann nur mit Open Space bzw. BarCamp wenig zu
    tun. Allerdings ist es durchaus üblich, dass BarCamp TeilnehmerInnen im
    wiki oder Blog oder wo auch immer die Veranstaltung ausgeschrieben wird,
    ankündigen, welche Beiträge sie mitbringen werden, bzw. was sie sich
    wünschen. Das gibt eine gewisse Orientierung was zu erwarten ist, ändert
    aber nichts daran, dass die Themen und Zeit-slots erst vor Ort vergeben
    werden (und es kommt immer anders, als man denkt)
  • In beiden Formaten ist es für die Moderation verpönt von
    Teilnehmern vorgeschlagene Themen bewerten, priorisieren, zusammenfassen oder gar ausschließen zu lassen. Es wird davon ausgegangen, dass sich Angebot und Nachfrage durch Selbstorganisation regeln, dass also die Menschen mit ihren Füssen abstimmen, welche Themen sie für sich relevant und interessant halten und welche nicht. Und letztlich zeigt die Erfahrung, dass es im Vorhinein sowieso praktisch unmöglich ist zu prognostizieren, in welchen Themen die Goldminen stecken und wo der altbekannte Schrott.
  • In beiden Formaten ist jede Form der ausgeübten Hierarchie oder
    Kontrolle verpönt. Wenn sich ein Hierarch nicht auf Kommunikation auf
    Augenhöhe einlassen möchte, ist er eingeladen ein anderes Format zu
    wählen.

Alles klar?

Bei einem leibhaftigen BarCamp teilnehmen?

Das geht ganz easy bei einem Wiener ModCamp, das ich gelegentlich, meistens samstags, veranstalte. Details lesen

Weitere Informationen

Diese beiden Links führen zum internationalen bzw. zum österreichischen Netzwerk:

http://www.barcamp.org
http://www.barcamp.at

Wollen Sie mit mir über Ihre Veranstaltung sprechen? Haben Sie Fragen oder wollen Sie einen persönlichen Eindruck von mir gewinnen? Lesen Sie mehr über  meinen Background, schicken Sie mir ein Mail, oder rufen Sie mich an: +43-664/ 110 75 20

Moderationscoaching face to face oder online

Sie wollen selbst moderieren, brauchen aber noch den letzten Kick für ein pfiffiges Konzept? Ich plane mit Ihnen gemeinsam und Sie führen durch. Mehr über Moderationscoaching

Moderationstrainings intern

Seit vielen Jahren biete ich spezielle Facilitation Seminare inhouse für nationale und internationale Kunden an. Lesen Sie mehr über mein internes Angebot für ihr Unternehmen.

Abonnieren Sie meinen Newsletter und Sie werden regelmäßig über aktuelle Blogbeiträge, die nächsten Webinare und Seminare informiert.

Wollen Sie mit mir über Ihre Veranstaltung sprechen? Haben Sie Fragen
oder wollen Sie einen persönlichen Eindruck von mir gewinnen? Lesen Sie
mehr über  meinen Background, schicken Sie mir ein Mail, oder rufen Sie mich an: +43-664/ 110 75 20

bzw