Teambuilding heute

Erich Kolenaty im Gespräch mit dem Magazin TRAINING

Frage: für welche Teamprozesse soll man ein Teamtraining buchen?

DSC_1191 (Small).JPG
Ich halte schon den Begriff „Teamtraining“ an und für sich für krass irreführend. „Training“ unterstellt im geläufigen Sinn dieses Magazins immer eine Differenz von Wissen und Nicht-Wissen. Das stimmt zwar insofern, als ich in meinen Workshops mit der Gnade der Ahnungslosigkeit arbeite. Alles Wissen, das es braucht, um weiterzukommen, steckt schon im Team, ich bin nur dabei behilflich,
dieses Wissen freizulegen. Training im landläufigen Sinn würde ich das
ganz gewiss nicht nennen.

Ich gebe aber zu, dass „Teamentwicklung“ und sogar „Teambuilding“ nicht viel besser klingt. Am ehestens trifft es wohl „Team-Findung“. Team-Findung ist immer dann besonders wertvoll, wenn sich ein Team im Neubeginn oder im Umbruch befindet, wenn es sich festgefahren hat, wenn Diffusion herrscht über das „Was“, „Wozu“ und „Wie“. De-motivation, Energiemangel oder Energievernichtung im Sich-gegenseitig-aufreiben ist meistens nur die Folge davon. Insofern setzt ein „Motivationstraining“ sinnloserweise am Symptom an, anstatt die Blockade an der Substanz aufzulösen oder wieder neuen Sinn zu
stiften.

­­­Frage: Was muss, was kann, was braucht nicht ein Teamtraining beinhalten?

Ich glaube, dass ein Teamfindungsprozess einen ganzheitlichen Zugang
braucht, d.h. es braucht Impulse auf allen Bewusstseinsebenen: Rational,
emotional, körperlich, spirituell. Wenn einer dieser Aspekte die
Oberhand gewinnt oder zu kurz kommt, läuft es in eine Sackgasse. Das ist
meines Erachtens auch eine der Hauptschwächen der Kärtchenmethode bzw.
des klassisch systemischen Arbeitens: sie sind zu kopflastig. Die tiefen
Lösungen entstehen aber nicht im Kopf.

Gleichzeitig ist es wichtig auf’s Ganze zu schauen, also auf den
Kontext, in dem sich das Team befindet. Teams haben ja meistens einen
konkreten Platz in einer Organisation, für die sie bestimmte Aufgaben
erledigen. Für mich beginnt eine Teamfindung daher immer mit dem Blick
auf Sinn und Zweck des Teams, mit dem leuchtenden Stern. Dann halte ich
es mit Harrison Owen: „Take a real business issue“, also setze mit einer
konkreten Aufgabe, einer aktuellen Herausforderung an, mit etwas, das
wirklich beißt.

Ich meine, es spricht nichts dagegen, dass Leute zusammenkommen und
miteinander eine Hetz haben oder spannende Erfahrungen machen. Wenn sich
das jemand wünscht, ist das wunderbar, aber man darf sich nicht davon
erwarten, dass damit besonders viel im wirklichen Leben anders wird.

Daraus ergeben sich auch die Elemente, die ich oft für wertvoll halte:

  • Transfer In
  • Ein lockeres Gespräch mit der Führungskraft vor dem Team über die „strategische Großwetterlage“: Was war, was ist, was kommt.
  • Standortbestimmung aus der Perspektive des Teams (in unterschiedlichen Varianten)
  • Geschichten aus dem Alltag erzählen (in unterschiedlichen Varianten)
  • Teamdiagnose mit dem Organisationskompass
  • Feedback zur Zusammenarbeit (wenn das Team aus Untergruppen besteht)
  • Visionierung einer erfolgreichen Zukunft, daraus Strategien, Ziele, Werte, Richtlinien ableiten
  • Umsetzungsvorschläge erarbeiten (häufig mit einem Open Space Quickie)
  • Konkrete Vereinbarungen treffen

Das klingt nicht sehr spektakulär und ist es auch nicht. Es entfaltet
sich einfach ein Flow, in dem Eins ins Andere greift und am Schluss ist
man angekommen und staunt, was alles erreicht worden ist.

Frage: Was kann ein Teamtraining bewirken?

Alles und nichts. Im besten Fall entsteht Klarheit, Sehnsucht, Wille, Energie und Team-Spirit. Und nächste Schritte. Wenn man genau hinschaut, braucht es das auch alles. Ohne Klarheit und Fokus, ist man sowieso schon auf der falschen Bahn, ohne Sehnsucht, Wille und Energie kommt der Zug nicht aus dem Bahnhof, ohne Fahrplan kommt er nirgends an.

Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre: Ich halte es inzwischen für einen völligen Irrweg, wenn man versucht, Wir-Gefühl, Teamspirit oder wie immer man das nennen mag, direkt zu erzeugen, indem man Menschen durch gemeinsame, außergewöhnliche Erfahrungen „zusammenschweißen“ will. Teamspirit ist etwas sehr Zartes und gleichzeitig sehr Kraftvolles. Teamspirit lässt sich jedenfalls nicht herbeitrainieren, sondern entsteht von selber, wenn die Umstände es ermöglichen und die Zeit reif ist. Das ist wie mit der Liebe und mit dem Vertrauen. Die können von selbst wachsen und wenn man zu viel drüber
redet, sind sie gleich mal wieder weg.

Ich habe dutzende Male die Menschen am Schluss sagen gehört: „Wir sind ein tolles Team geworden, ich fühle mich so wohl in diesem Team etc.“ Aber die Worte Team, Teambuilding usw. sind die ganze Zeit nicht vorkommen. Von mir aus jedenfalls nicht, die Leute haben das ganz von alleine hingekriegt.

Eine unserer Hauptaufgabe als Begleiter besteht darin, mit der Paradoxie umgehen zu lernen, dass wir etwas erreichen wollen, was wir nicht wirklich steuern können. Mir ist der Wunsch vieler meiner Auftraggeber bewusst, dass sich das Team wieder wie ein Team „anfühlen“ soll. Gleichzeitig ist mir klar, dass ich letztlich wenig beitragen kann, außer absichtsloser Ermöglichung. Deswegen finde ich auch das Wort „Facilitator – Ermöglicher“ so wunderbar für meinen Beruf. Wenn die Menschen den Verdacht schöpfen, dass sie zu einem Team hinmanipuliert werden sollen, ist das Spiel schon verloren. Die Freiheit der Teilhabe ist einfach wahnsinnig wichtig.

Darin besteht meines Erachtens auch die Crux einerseits der psycho-lastigen und andererseits der erlebnisorientierten Teambuildings-Ansätze. Sie nehmen den Menschen potentiell ihre Würde, indem sie Beziehungsziele FÜR andere Menschen anstreben, ohne den Menschen die Entscheidung zu überlassen, ob sie dafür bereit, willig und fähig sind. Eigentlich ist das strukturelle Gewalt.

Frage: Wozu nimmt man bestimmte Übungen und was kann man aus den
Erkenntnissen daraus für den Arbeitsalltag ableiten und vor allem
langfristig mitnehmen?

Das frage ich mich eigentlich auch: wozu Übungen? Wenn ich so arbeiten kann, wie mir das wirklich nützlich vorkommt, mache ich keine Übungen im landläufigen Sinn. Für mich ist entscheidend, dass alle Bewusstseinsebenen angesprochen werden: rational, emotional, körperlich, spirituell. Aber ich rede da nicht viel drumrum, sondern ich lade die Menschen dazu ein Schritte mit mir zu gehen, die ihnen in der inhaltlichen Logik eh irgendwie plausibel vorkommen. Das kommt meistens sehr unspektakulär daher. Meine Ausgang- und Schlüsselfrage ist immer: „Was wird wirklich gebraucht?“ In einem ganzheitlichen Sinn verstanden, auf das System bezogen. Darauf baue ich meine Dramaturgie von Elementen auf. Deswegen sind meine Abläufe auch immer anders.

Mich fasziniert die Metapher von Robert Fritz über den „Weg des geringsten Widerstandes“. Man baut eine strukturelle Spannung auf zwischen den gegenwärtigen Herausforderungen und einem attraktiven großen Ziel und dann bahnt sich das Wasser von selbst seinen Weg dahin.

Unlängst hat eine Frau in einer Abschlussrunde eines Workshops über
mich gesagt, ich sei ein Unikum. Sie hätte noch nie so einen straffen
Ablauf und gleichzeitig so viel Freiheit erlebt. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu meiner Arbeit früher: Ich werde in den Workshops persönlich meistens sehr unauffällig erlebt, schiebe an der passenden Stelle einen Impuls hinein und der Rest erledigt sich per Selbstorganisation, also mit der Energie der Menschen selbst. Wenn sie nur Sinn und Zweck nachvollziehen können. Und sie bereit sind, sich auf die Reise zu begeben.

Die eigentliche Grundproblematik beim erlebnisorientierten Outdoortraining sehe ich darin, dass sich die TeilnehmerInnen ja insgeheim immer fragen „Warum mache ich das jetzt eigentlich? Was bringt uns das jetzt, wenn wir uns gegenseitig durch Spinnennetze schieben?“

Die Transferfrage stellt sich für mich bei meiner Arbeitsweise überhaupt nicht, weil von vorneherein immer alles darauf ausgerichtet ist, dass am Schluss konkrete klare Schritte rauskommen und die Menschen die Kraft und Bereitschaft gewinnen, das auch umzusetzen.

Frage: Woran erkennt man einen professionellen Anbieter von Teamtrainings? Was darf auf keinen Fall gebucht werden?

Ich finde, man kann alles buchen, solange einem klar ist, was man wirklich will und man davon überzeugt ist, dass das angebotene Package das auch einlöst.


Frage: Teamtraining im Wandel der Zeit – was hat sich seit dem Hype der Hochseilgärten geändert? Ist Outdoor überhaupt noch in?

Ich bin sowieso nie auf Bäume gestiegen, außer um meine Obstbäume zu schneiden. Ich habe schon immer die Dinge bevorzugt, die das normale Leben mit sich bringt. Stille, gute Gespräche, bei denen es um was geht und die inspirieren, in die Natur gehen. Ich habe, wenn es die Aufgabe und die Umstände ermöglichen, immer wieder Elemente in meinen Workshops, wo die Menschen rausgehen, zu sich kommen und Erkenntnisse schöpfen. Ich halte das auch für sehr kraftvoll. Aber mit Outdoor im klassischen Sinn hat das wenig zu tun. Außer, dass die Leute halt vor der Tür sind. Ich versuche die Menschen so nah wie möglich an ihrer Aufgabe und an ihrem Leben zu halten und dann gehen ab und zu Fenster auf, wo die Menschen ganz kleine, überraschende Erfahrungen machen, die sie auf andere Fährten bringen.

Outdoor wird solange in bleiben, als Menschen Spaß dran haben und bereit sind, Zeit und Geld dafür zu investieren. Warum auch nicht?

Frage: Wo liegen die Grenzen des Teamtrainings?

Da gibt es einige:

  • Niklas Luhmann hat einmal gesagt: „Der Sinn von Grenzen, sind die
    Grenzen von Sinn“. Wenn ein Team eine sinnlose oder im gegebenen Rahmen eine unerfüllbare Aufgabe hat, kann ich mir ein Teamtraining sparen, dann muss man woanders hinschauen.
  • Die Entfaltung des Teams kann kluge und wertschätzende Führung
    nicht ersetzen. Deswegen halte ich es sowieso für Schwachsinn, ein Team
    ohne Führungskräfte zur Entwicklung (quasi auf Kur) zu schicken.
  • Schwimmtraining anzubieten, wenn jemand mit dem Ertrinken kämpft,
    ist schwer daneben. Es braucht eine minimale Aufmerksamkeit jenseits des
    Existenzkampfes, damit überhaupt ein Impuls durchkommen kann.
  • Der Zeitfaktor: Wenn ich der Donau befehle in 1 Stunde nach
    Bratislava zu fließen, brauche ich mich nicht wundern, wenn sie nicht
    einmal Hainburg erreicht. Wenn es um wichtige Fragen geht, wird man mit
    weniger als 2 Tagen nicht weit kommen bzw. wird man nicht die nötige
    Tiefe und Nachhaltigkeit erreichen.
  • Umsetzung: Bei einem meiner erfolgreichsten Workshops in der
    Industrie habe ich bedauert, dass ich Tageshonorar verlangt und mich
    nicht am Erfolg beteiligt habe: Ich wäre schnell reich geworden. Aber
    das Management und das Team haben auch extrem tough an der Umsetzung gearbeitet. Insofern war das Tageshonorar vielleicht doch ok.


Danke für das Gespräch

Wollen Sie mit mir über Ihre Veranstaltung sprechen? Haben Sie Fragen oder wollen Sie einen persönlichen Eindruck von mir gewinnen? Lesen Sie mehr über  meinen Background, schicken Sie mir ein Mail, oder rufen Sie mich an: +43-664/ 110 75 20

Moderationscoaching face to face oder online

Sie wollen selbst moderieren, brauchen aber noch den letzten Kick für ein pfiffiges Konzept? Ich plane mit Ihnen gemeinsam und Sie führen durch. Mehr über Moderationscoaching

Moderationstrainings intern

Seit vielen Jahren biete ich spezielle Facilitation Seminare inhouse für nationale und internationale Kunden an. Lesen Sie mehr über mein internes Angebot für ihr Unternehmen.

Abonnieren Sie meinen Newsletter und Sie werden regelmäßig über aktuelle Blogbeiträge, die nächsten Webinare und Seminare informiert.